Triebwerksausfall: Selten und mit viel Reserve

Bild: Public Domain, NTSB

Die legendär sichere Boeing 777 hat in einer Variante einen Triebwerkstyp, der immer wieder Ärger gemacht hat.

Nein, nicht wie die British Airways, die damals das letzte Stück nach Heathrow geräuschfrei unternommmen hat.

Und auch nicht wie die Asiana, die damals mangels Besatzungshirn in San Francisco eine fulminante Bruchlandung hingelegt hat.

Die hier ist anders:

Das verwendete Triebwerk hatte zwei Neuheiten verbaut. Und die Kombination Beider hat zu einigen recht stressigen Minuten für Besatzung und Passagiere geführt.

Flug United Airlines #328 war gerade in Denver, Colorado mit 239 Seelen an Bord abgehoben, als sich der Einlassring des rechten Triebwerks verabschiedet hat.

Triebwerksausfall!

Ursache war ein Rotorblatt des vorderen „Fans“, das ist das was man vorne im Triebwerk sieht: Eine Art Viel-Blatt-Propeller, der den sogenannten „Mantelstrom“ erzeugt, einen Luftschleider um die heißen Gase des Triebwerks. Und der in niedrigen Höhen einen großen Teil des Vortriebs erzeugt.

Diese Fans – Neuheit #1 – war innen hohl. Das spart enorm Sprit und Gewicht.

Problem: Die einmalige Bauweise erzeugte über Gebühr Müdigkeitsrisse („Fatigue Cracks“), die eigentlich immer ein Hauptaugenmerk bei der Wartung sind. Gerade United Airlines kann ein Lied davon singen, mit ihrem existenzgefährdenden Unfall ihrer DC10 vor vielen Jahren…

Deshalb hat United Airlines auch mehr Wartung (!) betrieben, als von den Behörden vorgeschrieben. Viel mehr.

Und selbst das hat nicht ausgereicht.

Nun ist ein „Fan Bruch“ zwar ein für das Triebwerk in fast jedem Fall katastrophales Ereignis, es kommen dabei aber eher selten Menschen zu Schaden, da jedes Jet Triebwerk einen recht stabilen „Mantel“ hat um den „Kern“ zu schützen: Sollte sich das Triebwerk aufgrund eines Defekts oder äußerer Ereignisse wie Vogelschlag zerlegen, hält dieser Mantel die Einzelteile des Triebwerks innerhalb des „Gehäuses“. Man spricht dann von einem „contained engine failure“, einem Triebwerksausfall, der „begrenzt“ wurde.

Hier kommt dann die zweite Neuheit zum Tragen: Ein Metall-freies „Inlet“, das ist der Ring vorne am Triebwerk, der oft so schön glänzt. Diese Inlets sind in der Regel aus Aluminium gefertigt, hier kam aber ein neues Verbundwerkstoffteil zum Tragen, das leichter und haltbarer sein sollte.

War es auch – leichter und haltbarer – es hielt aber dem abgebrochenen Fragment des Fans nicht stand und landete, zusammen mit anderen Trümmern des Triebwerks, in einem Garten.

Nun hatte aber der nicht allzu leise Abgang dieses „Inlets“ zur Folge, dass Teile des Fans und des Inlets sich ebenfalls ins Triebwerk aufgemacht haben (es hatte ja immer noch Schub und damit Unterdruck vor der Öffnung, dazu den Fahrtwind…) und dort alles klein gehäckselst haben, was irgendwie erreichbar war. Unter anderem Spritleitungen und Abgrenzungen zum extrem heissen Kern des Triebwerks, der Brennkammer.

So wurde nicht nur die gesamte äußere „Schale“, also die „Motorhaube“ (Cowling) des Triebwerks entfernt, so dass die armen Passagiere das angsteinflößend-hässlichen-gar-nicht-hübsch-verpackten-und-lackierte Triebwerk sehen mussten, nein: es gab auch noch ordentlich Geflämmel zu sehen.

Sprich: Aus einem katastrophalen „Fan failure“ wurde gleich noch ein Striptease mit Triebwerksbrand und vollem Passagier-Schreck-Faktor. Dazu die entstandene Unwucht des Fans, die das Triebwerk auch noch ordentlich vibrieren und „eiern“ ließ… der blanke Horror für alle Unkundigen und eine ordentliche Portion berechtigte Sorge für die, die sich ein bisschen auskannten.

Die Besatzung, hoch erfahren und in bekannter United Airlines „Qualität“ und Trainingsstand, brach den Steigflug ab, betätigte die Hochdruck-Feuerlöscher, erklärte Notlage und landete mit dem verbleibenden Triebwerk. Ohne körperliche Verletzungen seitens der Passagiere. Körperlich.

Warum?

Weil die Feuerlöscher nicht dazu in der Lage waren, das Feuer zu löschen.

Der Schaden war dermaßen groß, dass die Feuerlöscher nicht effektiv arbeiten konnten (Äußere Ummantelung und Innere Ummantelung (teilweise) zerstört)) und durch den Bruch der Kraftstoffleitungen immer noch Treibstoff nachfließen konnte. Die Mengen sind hierbei nicht sehr groß, da ja nicht mehr gepumpt wird, aber ausreichend, um das Feuer am Leben zu erhalten und für Angst und Schrecken zu sorgen.

Übrigens ist die Wahrscheinlichkeit eines Übergreifens auf die Tanks minimalst, „Kerosin“ ist im Prinzip Heizöl und weder sehr entflammbar noch neigt es dazu in Leitungen „zurückzuschlagen“. Würden Jets „Flugbenzin“ (sic!) nutzen, sähe das anders aus…

Die ganze Sache war nicht das erste Mal, dass was schief lief mit diesem Triebwerkstyp und die betroffenen Flugzeuge wurden weltweit über ein Jahr stillgelegt, bis man sich sicher war, wie man der Sache zukünftig begegnen könnte. Einige Fluggesellschaften, bei denen die Flugzeuge sowieso am Ende ihrer Dienstzeit oder Leasingzeit standen, haben die Variante sofort dauerhaft aus dem Verkehr gezogen.

Was wir daraus lernen können?

  • Manchmal ist selbst mehr-Vorsicht-als-üblich nicht genug
  • (Schwere) Unfälle sind meist Verknüpfungen mehrerer Faktoren
  • Jet Triebwerke sind selbst im „1 aus 1 Million“ Katastrophenfall so sicher, dass nur noch seltenst Menschen zu Schaden kommen

Mehr Infos zum Vorfall: https://avherald.com/h?article=4e35503b&opt=0

Mehr Infos zum Vorfall bei avherald.com
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